Die Einziehung von Festplatten ist ein Dauerbrenner im Bereich des Cybercrime. Ich konnte nun endlich im Rahmen einer Revision beim Bundesgerichtshof (2 StR 461/20) eine Auseinandersetzung mit der letzten Rechtsprechung des 6. Senats herbeiführen – wo man bestätigte dass für die Einziehung ausreichend ist, dass die Möglichkeit dauerhafter Löschung nicht ersichtlich ist.
Dazu auch bei uns:
Diskussion um Einziehung der Festplatte
Bei meinem Mandanten sollte die Festplatte eingezogen werden, der Generalbundesanwalt erwiderte auf meine Kritik an der Entscheidung des Landgerichts kurz und knapp:
Nach §184b Abs. 6 StGB sind die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen belegen, dass die Festplatte zum Speichern der inkriminierten Bilder verwendet wurde (…). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht der Einziehung der Festplatte nicht entgegen. Eine technische Möglichkeit, die verfahrensgegenständlichen Bild- und Videodateien von der Festplatte irreversibel zu löschen, ist nicht ersichtlich (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 6 StR 87/20 -, juris).
Dem trat ich entgegen, was sich zuerst recht trickreich darstellte, da offenkundig kein tiefgehendes technisches Verständnis vorlag. Also habe ich einen passenden Wikipedia-Artikel meinem Schriftsatz beigefügt sowie auf ein Standard-IT-Forensik-Handbuch verwiesen. Das Ziel war insoweit klar: Es darf nicht bei der (falschen) Rechtsprechung verbleiben, dass ein sicheres Löschen gar nicht existieren soll. Insoweit habe ich auch kurz darauf verwiesen, dass im zivilrechtlichen Bereich das „sichere Löschen“ von Daten ja gerade eine Pflicht sein kann, so dass es überraschend ist, wenn man im Strafrecht meint, so eine Möglichkeit gebe es gar nicht.
Entscheidung des BGH zur Einziehung der Festplatte
Der Bundesgerichtshof macht es kurz: „Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit die Strafkammer die Einziehung der sichergestellten externen Festplatte angeordnet hat.“. Und Kern ist dann auch tatsächlich die Problematik der Löschung der Daten:
Nach § 184b Abs. 6 Satz 1 StGB sind zwar Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen (…) Es fehlen indes Feststellungen dazu, ob es angesichts des Wertes der sichergestellten Festplatte technisch mit verhältnismäßigem Aufwand möglich ist, die dort gespeicherten Dateien in einer Weise zu löschen, dass diese nicht wiederhergestellt werden können. Solche wären aber zu treffen gewesen, weil für Anordnungen gemäß § 184b Abs. 6 StGB der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt (§ 74f StGB) und gegebenenfalls von der Möglichkeit des §74f Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht werden muss (…)
Bundesgerichtshof, 2 StR 461/20
Damit steht die kurzzeitige Auffassung des 6. Senats, dass eine sichere Löschung per se nicht ersichtlich ist, (zu Recht) abseits und bei Einziehung von Festplatten wird man weiter massiv diskutieren können.
Landgericht Aachen: Löschung
Im Nachgang dann, im zweiten Durchgang beim Landgericht Aachen, wurde ein kurzer Vermerk der Kripo vorgelesen, dass eine (sichere) Löschung mit nur minimalstem Aufwand möglich ist. Danach war das Thema erledigt.
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