Der Begriff „KI-Washing“ (auch als „AI-Washing“ bekannt) bezeichnet eine Praxis, bei der Unternehmen und Organisationen ihre Produkte, Dienstleistungen oder Projekte als künstliche Intelligenz (KI) bezeichnen oder vermarkten, obwohl diese Bezeichnung entweder irreführend oder stark übertrieben ist. Dabei zeigt sich, dass eine handfeste Strafbarkeit bei übertriebener Bewerbung von KI-Produkten im Zuge des KI-Washing im Raum stehen kann.
KI-Washing?
KI-Washing gewinnt an Bedeutung, da KI immer präsenter im Alltag und in der öffentlichen Wahrnehmung wird. Historisch hat KI viele Entwicklungen durchlaufen, aber erst mit modernen Anwendungen wie ChatGPT und Bard wurde das Potenzial für die breite Öffentlichkeit greifbar. Diese Verbreitung hat jedoch auch zu Missbrauchsmöglichkeiten geführt, die vergleichbar mit dem Greenwashing sind.
Es dürfte eine Art des Greenwashings sein, bei dem Marketingstrategien verwendet werden, um den Eindruck zu erwecken, dass etwas umweltfreundlicher ist, als es tatsächlich ist – nur hier wird der Hype um KI genutzt, um den wahrgenommenen Wert oder die Innovation eines Produkts oder einer Dienstleistung zu steigern.
Gründe für KI-Washing
- Marktwahrnehmung und Wettbewerbsdruck: Da KI als innovativ und zukunftsweisend gilt, möchten viele Unternehmen diesen Eindruck vermitteln, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
- Investoren anziehen: Start-ups und Unternehmen hoffen, durch den Anschein von KI-Innovation leichter Investitionen zu erhalten.
- Erhöhte Verkaufszahlen: Produkte, die als KI-gestützt vermarktet werden, können für Verbraucher attraktiver sein, selbst wenn die tatsächliche Technologie nur grundlegende Automatisierung oder Algorithmen beinhaltet.
Beispiele für KI-Washing
- Übertriebene Behauptungen: Ein Unternehmen behauptet, seine Software nutze fortschrittliche KI, obwohl sie lediglich auf einfachen, regelbasierten Systemen basiert.
- Irreführende Marketingmaterialien: Produkte werden mit Begriffen wie „KI-gestützt“ beworben, obwohl die zugrunde liegende Technologie kaum mehr als traditionelle statistische Analysen oder einfache Automatisierungsprozesse umfasst.
- Rebranding: Ältere Technologien werden umbenannt und als KI-Technologien neu vermarktet, ohne dass wesentliche Änderungen vorgenommen wurden.
Auswirkungen von KI-Washing
- Vertrauensverlust: Wenn Kunden und Investoren erkennen, dass die KI-Behauptungen eines Unternehmens übertrieben oder falsch sind, kann dies zu einem erheblichen Vertrauensverlust führen.
- Marktverzerrung: Es kann schwierig werden, echte Innovationen von aufgeblasenen Marketingstrategien zu unterscheiden, was die Entwicklung und Akzeptanz echter KI-Lösungen behindern kann.
- Regulatorische Herausforderungen: Übertreibungen und falsche Darstellungen können rechtliche und regulatorische Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn es um Datenschutz und ethische Überlegungen geht.
Strafrechtliche Risiken bei KI-Washing?
Ein aktueller Aufsatz in der NZWiSt (Babucke/Kroner in NZWiSt 2024, 174) beleuchtet die strafrechtlichen Risiken und Herausforderungen im Zusammenhang mit falschen Behauptungen über Künstliche Intelligenz (KI), auch bekannt als „KI-Washing“.
Die Autoren ziehen ebenfalls Parallelen zum Greenwashing, wo Umweltfreundlichkeit fälschlicherweise behauptet wird, werden beim KI-Washing übertriebene oder falsche Versprechungen über KI-Anwendungen gemacht. Der Aufsatz untersucht inhaltlich die rechtlichen Konsequenzen und die Herausforderungen bei der Strafverfolgung solcher Fälle.
Strafbarkeitsrisiken und Parallelen zum Greenwashing
KI-Washing umfasst also irreführende Marketingstrategien, die Produkte oder Dienstleistungen als KI-gestützt darstellen, obwohl dies nicht der Fall ist. Die Autoren diskutieren nun die verschiedenen Arten von KI-Washing, von übertriebenen Versprechungen bis hin zur Umbenennung alter Produkte ohne technische Änderungen.
Relevante Straftatbestände
- Betrug (§ 263 StGB): Die Strafbarkeit wegen Betrugs könnte an der unscharfen Definition von KI scheitern. Eine Täuschung liegt vor, wenn über nachprüfbare Tatsachen getäuscht wird, was bei irreführenden KI-Angaben schwierig nachzuweisen sein kann.
- Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB): Betrifft Falschangaben in Prospekten im Zusammenhang mit Wertpapieren oder Unternehmensanteilen. Auch hier sind klare Definitionen und die Offenbarungspflicht von entscheidender Bedeutung.
- Strafbare Werbung (§ 16 UWG): Umfasst öffentliche Werbung mit Falschangaben, die geeignet sind, bei Verbrauchern Fehlvorstellungen hervorzurufen. Hier ist der Aufsatz überraschend Kurz!?
- Unrichtige Darstellung (§§ 331 HGB, 400 AktG): Betrifft falsche Aussagen in Geschäftsberichten über KI-Anwendungen.
In Ihrem Fazit kommen die Autoren dahin, dass eine Strafbarkeit wohl mit Blick auf die schon vorhandenen Straftatbestände vorsichtig zu bejahen sein dürfte.
Ermittlungsmaßnahmen und Herausforderungen
Ermittlungen wegen KI-Washings können weitreichende Konsequenzen für betroffene Unternehmen haben, insbesondere hinsichtlich des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Die Beschlagnahme von Quellcodes, Trainingsdaten und anderen relevanten Daten stellt rechtliche und praktische Herausforderungen dar. Ermittlungsbehörden müssen dabei verhältnismäßig vorgehen und technische Hilfsmittel für ihre Ermittlungen selbst beschaffen.
Es mag überraschen, aber: Eine übertriebene Bewerbung von KI-Funktionialitäten kann nicht nur irreführend, sondern sogar strafbar sein. Es droht im schlimmsten Fall dann die Einziehung, also Vermögensabschöpfung, von sämtlichen Einnahmen der unzulässig beworbenen KI im Strafverfahren.
Ist KI-Washing strafbar
Strafbare Werbung durch KI-Washing
Je nach Einzelfall wird man bei übertrieben und bewusst falsch beworbener KI recht schnell zu einem (gewerbsmäßigen) Betrug kommen. In der Praxis dürfte der Vermögensschaden allerdings mitunter schwierig zu greifen sein, wenn tatsächlich eine KI geliefert wurde, die auch brauchbar war, nur eben nicht dem angepriesenen Funktionsumfang entsprach. Aber: Dafür wurde ja nun die strafbare Werbung (§16 UWG) erfunden, speziell auch, wenn es um die Werbung an sich ohne Vermögensverschiebungen geht.
Die strafbare Werbung fristet ein gewisses Schattendasein, ich habe bisher nur wenige Fälle in diesem Umfeld verhandeln dürfen – dabei erschreckend oft Fälle mit Umzugsunternehmen. Wer in §16 UWG blickt, wird schnell darüber stolpern, dass das betreffende Produkt „besonders günstig“ beworben sein muss. Wenn ich jetzt ein Produkt mit einem realistischen Preis bewerbe, das einfach nicht bietet, was ich als Funktionsumfang angebe, dann müsste diese Strafbarkeit doch wegfallen? Mitnichten: Als Anschein besonderer Günstigkeit gilt mit der BGH-Rechtsprechung auch der Hinweis auf eine besondere Qualität, weil auch rein ideelle Vorteile als „besonders günstig“ i.S.d. Norm anzusehen sind (ich stelle das zum Greenwashing dar in Ferner, jurisPR-ITR 17/2023 Anm. 6). Das bedeutet, das man durch sie besondere Auslegung des §16 UWG regelmäßig bei hervorgehobener Qualität (also einem besonderen Funktionsumfang) in der Strafbarkeit landen kann – und wird.
Ausblick zum KI-Washing
KI-Washing ist eine problematische Praxis, die zwar kurzfristige Vorteile bringen kann, aber langfristig das Vertrauen in die Branche untergräbt und die wirkliche Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien behindert.
Da die Bedeutung von KI und die damit verbundenen strafrechtlichen Risiken in Zukunft zunehmen werden, sollten Unternehmen Vorsicht bei Werbeversprechen walten lassen und die Funktionalität ihrer KI-Anwendungen nachvollziehbar belegen können, um bei Ermittlungen wegen KI-Washings reagieren und den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse gewährleisten zu können.
Zu Recht betont der oben vorgestellte Aufsatz dabei die Notwendigkeit einer präzisen und anpassungsfähigen Definition von KI, um Strafbarkeitsrisiken klarer bewerten zu können, da dies für die rechtliche Bewertung von KI-Washing von großer Bedeutung ist.
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